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„Sehr geehrte Herren, sehr geehrte Damen“, mit dieser antiquierten Anrede wurden die Gäste der Ausstellungseröffnung „100 Jahre Frauenwahlrecht“ in der Kelsterbacher Stadt- und Schulbibliothek am vergangenen Freitagabend begrüßt. Der erste Redner des Abends, der erste Stadtrat Kurt Linnert, hatte absichtlich die heute als unangemessen empfundene Anrede gewählt und damit die erhoffte Irritation und Aufmerksamkeit erzielt.
Es sei schwer nachvollziehbar, wie es damals war, sagte Linnert und verwies auf Marie Juchacz, die als erste Frau in der Nationalversammlung sprechen dürfte, jedoch bereits für ihre Begrüßung, in der sie Herren und Damen erwähnte, belächelt wurde. Dies sei erst der Anfang gewesen, so Linnert und sagte weiter, dass diese Frauen nicht nur für das Recht einer Gruppe oder bestimmten Klientel gekämpft hätten, sondern um ein Menschenrecht, die Gleichberechtigung.
Auch die zweite Rednerin, die Frauenbeauftragte Waltraut Engelke, blickte in die Vergangenheit und begann ihre Ansprache mit einem Zitat von Hedwig Dohm: „Es gibt keine Freiheit der Männer, wenn es nicht eine Freiheit der Frauen gibt. Wenn eine Frau ihren Willen nicht zur Geltung bringen darf, warum soll es der Mann dürfen?“. Sie erwähnte Olympe de Gouges, die im Zuge der französischen Revolution sich nicht mit Brüderlichkeit allein zufrieden geben wollte, sondern auch die Rechte der Frauen und Bürgerinnen einforderte und für ihr unbequemes Auftreten den Kopf verlor. Auch machte Engelke auf die mächtigen Frauen der aktuellen deutschen Bundespolitik aufmerksam und sagte, dass in den vergangenen 100 Jahren sehr viel erreicht wurde. Dennoch sei dies nicht genug, da der Anteil der Frauen im deutschen Bundestag wieder so niedrig sei wie zuletzt vor 20 Jahren.
Für musikalische Auflockerung dieses ernsten Themas sorgte das Frauentrio „Lady Birds“ mit Musik aus den 1910ern bis 1930er Jahren. Auf die Gruppe aufmerksam wurde Christine Reinhardt, die Leiterin der Erwachsenenbibliothek und stille Schirmherrin der Ausstellung, die dann auch die musikalische Auswahl mit dem Trio zusammen traf. Direkt zu Beginn eröffneten die Lady Birds den offiziellen Teil des Abends mit dem Marsch der Sufragetten und spielten fortan einige Lieder der bekannten Sängerin Claire Waldoff, die mit Berliner Schnoddrigkeit nicht nur den damaligen Zeitgeist widerspiegelt, sondern als Volkssängerin auch den Ton angab. Die Gruppe begleitete den Abend auch weiterhin musikalisch, während die Gäste durch die Ausstellung flanierten.
Diese zusammenzustellen sei „eine Herausforderung gewesen“, so Marcella Gröber, die ebenfalls im Frauenbüro Kelsterbach arbeitet und zusammen mit Engelke die Repräsentantinnen für Kelsterbach ausgesucht hat. „Wir haben sehr lange überlegt, wen wir auswählen, da es in Kelsterbach viele Kandidatinnen gegeben hat, aber letztlich mussten wir uns für drei entscheiden“, so Gröber weiter. Engelke ergänzt: „Ohne meine Kolleginnen Marcella Gröber und Christine Reinhardt, wäre es nicht möglich gewesen, diese tolle Ausstellung hier in Kelsterbach auf die Beine zu stellen“.
Initiiert wurde diese vom Büro für Frauen- und Chancengleichheit des Landratsamtes Groß-Gerau, das zusammen mit den Kommunen die jeweiligen Vertreterinnen für den Kreis Groß-Gerau bestimmt hat. Zu besichtigen ist die aus 19 Schautafeln bestehende Ausstellung in der Stadt- und Schulbibliothek noch für die nächsten vier Wochen, bevor sie abgebaut wird und in die nächste Kreisstadt wandert.
Mit dem Anklang der Ausstellung waren Engelke und Gröber sehr zufrieden. Trotz der bevorstehenden Kerb und des sommerlichen Wetters fanden sich viele Interessierte ein und die vorbereiteten Tische waren fast ausnahmslos besetzt – sowohl mit Frauen als auch mit Männern.
(Text und Bilder: ana)
Infobox:
Was ist der Hintergrund, was die Notwendigkeit, die letzten 100 Jahre Revue passieren zu lassen? Der November 1918 ist ein in jeder Hinsicht geschichtsträchtiger Monat eines ereignisreichen Jahres, in dem in der Endphase des Ersten Weltkriegs mit der Novemberrevolution die Monarchie in Deutschland gestürzt wurde. Deutschland wandelte sich zur Demokratie und das politische Zeitalter der Weimarer Republik begann. Und während es noch 1909 in Meyers Konversationslexikon ganz offiziell hieß: „Dem Mann der Staat, der Frau die Familie“, hatte die Frauenbewegung hart dafür gearbeitet, öffentlich und politisch gehört zu werden. Der 12.November 1918 gilt mit dem Aufruf „An das Deutsche Volk“ als die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts. Ab dem 19. Januar 1919 durften Frauen in Deutschland bundesweit zum ersten Mal wählen und auch selbst gewählt werden. Von 300 Frauen, die für die verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung kandidierten, wurden 37 gewählt – bei insgesamt 423 Abgeordneten. Der Weg war geebnet, doch bis heute ist er steil.