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Maximilian Barth ist seit Januar 2023 der erste Klimaschutzbeauftragte der Stadt Kelsterbach. In dieser Ausgabe der Kelsterbach aktuell wollen wir ihn vorstellen und ihn fragen, wie er Kelsterbachs Zukunft in Sachen Klimaschutz sieht. Das Interview führte Anika Fabijanic.
Herr Barth, wie wird man Klimaschutzbeauftragter?
Ich habe regenerative Energietechnik mit einem Bachelorabschluss studiert. Meinen Master habe ich im Fach Systems Engineering gemacht, damit bin ich Systemingenieur für Erneuerbare Energien. Das ist schon ein sehr technischer Studiengang, Mathe, Programmierung und Physik gehören dazu. Der Nachhaltigkeitsaspekt wird bei diesem Studiengang zwar vermittelt, ist aber eher nachrangig. Es gibt allerdings viele Studiengänge, die auf den Job vorbereiten. Man kann aus vielen Bereichen kommen. Da gibt es Forstwirte oder Politikwissenschaftler, die sich weiterorientieren wollen, oder Nachhaltigkeits- und Flächenmanager, die meist aus der Forschung kommen.
Nach dem Studium habe ich zuerst in verschiedenen Industriefirmen gearbeitet und meine Abschlussarbeiten geschrieben. Dann habe ich in der Nachwuchsförderung für das Schülerforschungszentrum in Nordhausen gearbeitet. Zum Thema MINT (ein Begriff, der für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik steht), haben wir Schüler motiviert, sich im Rahmen außerschulischer Aktivitäten in diese Richtung zu begeben.
Weil ich jedoch langfristig etwas im Bereich Klimaschutz machen wollte und mein bisheriger Arbeitsweg nicht in die für mich richtige Richtung ging, habe ich mich im Bereich des kommunalen Klimaschutzes wiedergefunden. Nachdem ich Klimamanager in Nordhausen war, bin ich für meine jetzige Stelle in das Rhein-Main-Gebiet gezogen.
Mit welchem Ziel haben Sie ihre Stelle angetreten?
Ich habe die Stelle mit dem Ziel angetreten, mich aktiv für den Klimaschutz, die Nachhaltigkeit und die Umwelt einsetzen und auch etwas bewirken zu können. Zugegebenermaßen kannte ich Kelsterbach vorher noch nicht. Doch weil ich mich auf eine Stelle in der Stadtverwaltung beworben habe, dachte ich, kann man hier viel Klimaanpassung realisieren. Dazu gehören zum Beispiel Begrünung, Wasser unter anderem mittels Trinkwasserbrunnen in die Stadt zu bringen, Gebäude mittels Außenverschattungen (z. B. mit Jalousien) und Begrünungen von Dach und Fassade fit für die kommenden heißen Sommer zu machen und vieles mehr.
Was bedeutet für Sie Klimaschutz?
Klimaschutz bedeutet allgemein, Maßnahmen zu ergreifen, um durch den Menschen verursachte Treibhausgase zu reduzieren. Große Stellschrauben sind, weniger Auto zu fahren, weniger fossile Brennstoffe in Gebäuden zu verwenden und generell alle Akteure mitzunehmen – sowohl Privathaushalte und Industrie als auch Land- und Forstwirtschaft. Für letztere kann dann eine Möglichkeit sein, Düngemittel differenziert zu betrachten, keinen Diesel mehr zu benutzen und keine Monokulturen anzubauen.
Wichtig ist, dass wir immer Klima- und Umweltschutz zusammendenken. Mit ansässigen Vereinen wie dem Tierschutz oder dem Obst- und Gartenbau möchten wir zukünftig zusammenarbeiten. Hierbei wollen wir an Kinder und Jugendliche herantreten und diesen beibringen, wie wichtig Umweltschutz ist. Ganz wichtig ist auch, durch Klimaschutzmaßnahmen nicht die Umwelt zu schädigen, wenn es auch anders geht. Ein Wasserkraftwerk, für das Wasser angestaut werden muss, wo es sowieso schon vielerorts Niedrigwasser gibt, und das zudem für den Fischbestand gefährlich werden kann, ist demnach kontraproduktiv.
Wie sieht ihre Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen in der Verwaltung aus?
Wir planen im Moment, dass der Klimaschutz nicht als abgegrenzte Abteilung gesehen wird, sondern dass wir Klimaschutz und -anpassung in sämtliche Bereiche integrieren. Dadurch bin ich bei Besprechungen für Neubaugebiete mit dabei, damit wir Dachbegrünungen umsetzen, Erneuerbare Energien für die Wärmeversorgung und nachhaltige Baustoffe wie Holz und Recyclinggips und -beton einplanen.
Es geht aber auch um die Beantragung von Fördergeldern für neue Gebäude oder Wärmenetze, die außerhalb der Gebäude eine Wärmeerzeugung, zum Beispiel mit Holzhackschnitzeln oder der Nutzung von Umweltwärme, ermöglichen. Die Wärme gelangt dabei über Rohrleitungen zu mehreren Gebäuden und schließlich wieder zu ihrem Ursprung, wo das Wasser wieder aufgeheizt wird.
Auch mit dem Facility Management, das sich mit Verbrauchsdaten beschäftigt, spreche ich mich ab. Dort geht es dann um die Optimierung bei Bestandsgebäuden, also wie man Energieverbräuche reduzieren kann mittels einer Automatisierung, die erfasst, wieviel Energie verbraucht wird oder auch ganz einfachen Möglichkeiten zur Einsparung beispielsweise von Erdgas indem die Brennkessel optimal eingestellt werden.
Im Weiteren soll eine Strategie für Klimaneutralität erarbeitet werden. Hier kommen rathausintern der Bürgermeister, der Bereich für Neubau, die Nahmobilitätsbeauftragte, das Facility Management für die Gebäudebewirtschaftung und die Kommunalbetriebe, die die Grünflächen bewirtschaften und Forstwirtschaft betreiben, sowie rathausextern die Energieversorger Süwag und Mainova sowie die Untermain Erneuerbare Energien GmbH (UEE), die unter anderem die Verpachtung von Photovoltaikflächen betreibt und bei der Integrierten Gesamtschule drei große Photovoltaikanlagen umgesetzt hat, zusammen.
Ich bespreche mich auch mit anderen Klimaschutzakteuren aus der Umgebung. Es gibt ein Netzwerk des Kreises Groß-Gerau. Dort treffen sich verschiedene Klimaschutzbeauftragte, die sich austauschen über Fördermöglichkeiten und Erfahrungen mit Projekten. Außerdem gibt es die Landesenergieagentur Hessen, die auch beratend zur Seite steht bei Projekten der Erneuerbaren Energien und des Klimaschutzes.
Was beinhaltet das bereits seit 2015 zwischen Raunheim und Kelsterbach bestehende interkommunale Integrierte Klimaschutzkonzept und wie soll es weiterentwickelt werden?
Das Klimaschutzkonzept von 2015 war für uns eine Grundlage, um den Status Quo der Treibhausgase in Kelsterbach und Raunheim zu ermitteln. Es hat ein Maßnahmenpaket beinhaltet, wie wir künftig klimafreundlicher werden können.
Aktuell arbeiten wir an einem Energie- und Klimaschutzbericht, bei dem wir auch neue Maßnahmen für den Klimaschutz für die nächsten Jahre mit aufnehmen wollen. Beispiele hierfür sind Trinkwasserbrunnen im Stadtgebiet und eine Starkregengefahrenkarte, die in der nächsten Zeit erarbeitet wird. Durch eine Starkregengefahrenkarte wird eine Grundlage erarbeitet, um auf kommende Starkregenereignisse reagieren zu können. Dadurch können gravierende Schäden an Gebäuden und in der Infrastruktur präventiv vermieden werden.
Auch im Bereich der Nahwärmenetze wollen wir eine kommunale Wärmeplanung erarbeiten, die beinhaltet, wie man weg von Öl und Gas kommt, zum Beispiel durch Wärmenetze, Wärmepumpen und Pelletheizungen. So eine Wärmeplanung ist übrigens Pflicht für Kommunen mit mehr als 20.000 Einwohnern, eine Zahl, die wir in Kelsterbach in den nächsten Jahren sicherlich erreichen werden.
Im Weiteren wird für die städtischen Liegenschaften ein Energiemanagementsystem eingeführt, um die Energieverbräuche zu reduzieren.
Auch wollen wir Wetterstationen im Stadt- und Waldgebiet errichten, um genauere Wetterdaten zu bekommen. Die Wetterdaten werden aktuell am Flughafen ermittelt und das entspricht nicht den Wetterdaten der Stadt Kelsterbach. Als Beispiel: Durch die starke Hitzeentwicklung durch Maschinen und die große Flächenversiegelung heizt sich das Flughafenareal stark auf. Die warme Luft steigt auf, wodurch die kühlere Luft aus dem Waldgebiet angesaugt wird. Der Niederschlag, der sich in der Folge bildet, geht über dem Flughafen runter. Im Wald wiederum ist die Niederschlagsmenge deutlich geringer. Ein Baustein mehr, der zu einem massiven Waldsterben führt.
Welches Potential an Umweltschutzmaßnahmen sehen Sie in Kelsterbach?
Für den Umweltschutz darf es nicht nur einen Umbau auf andere Technologien geben, sondern auch das Nutzerverhalten muss sich ändern. Ein Umdenken oder wenigstens ein Einlenken muss in der Bevölkerung stattfinden. Muss man wirklich jede Strecke mit dem Auto fahren?
Wenn das Auto nicht wegzudenken ist, kann man Alternativen durchspielen. Das Carsharing wäre eine Möglichkeit oder eine Fahrgemeinschaft, wenn es nur darum geht, ein Auto für den Weg zur Arbeit zu benötigen. Hierdurch leistet man ja nicht nur einen Beitrag für den Umwelt- und Klimaschutz, sondern schont auch sein eigenes Portemonnaie.
Generell ist jede Form der Energieeinsparung gut für die Umwelt und das Portemonnaie. Das betrifft auch die Müll-, speziell die Plastikvermeidung. Und den anfallenden Müll sollte man immer wenigstens bis zum nächsten öffentlichen Mülleimer mitnehmen und nie einfach in der Umwelt entsorgen.
Ein anderes Mittel ist es, regional und nach Jahreszeiten einzukaufen. Müssen es beispielsweise die Erdbeeren im Winter sein oder kann man auf jahreszeitentypische oder heimisch erzeugte Lebensmittel zurückgreifen. Das Negativbeispiel schlechthin ist ja immer die Avocado, für deren Anbau im Durchschnitt 1000 Liter Wasser verbraucht werden und die aus Ländern mit Wasserknappheit stammt. Auch Palmölprodukte sind ein Negativbeispiel, da der Palmölanbau eine Regenwaldverdrängung mit sich bringt. Hier hilft es, sich die Inhaltsangabe auf der Verpackung durchzulesen. Viele Produkte, wie zum Beispiel Zwieback, enthalten Palmöl, obwohl es gleichwertige Produkte gibt, die ohne Palmöl auskommen.
Wie wollen Sie die Bürgerinnen und Bürger in Kelsterbach erreichen?
Im Bereich Umwelt wollen wir die Kinder und Jugendlichen weiter motivieren, sich für Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu interessieren, auch außerhalb von Schullehrplänen. Dafür werden wir Aktionstage gemeinsam mit den Schulen planen, um spannende, nachhaltige und klimafreundliche Tipps und Ideen für den Alltag zu geben.
Demnächst führen wir auch die neue Klimataler-App ein, die ein klimafreundliches Verhalten belohnt. Dieses kann man auch mit einem halbjährlich stattfinden Clean-Up-Day koppeln. Hiermit halten wir nicht nur das Stadtgebiet sauber, sondern fördern das Gemeinschaftsgefühl, etwas für seine Stadt tun zu wollen. Für die Mithilfe werden wiederum Klimataler vergeben, die man in teilnehmenden Geschäften einlösen kann.
Perspektivisch soll es außerdem einen Energietag geben, bei dem sich regional ansässige Firmen wie Heizungs- oder Solarfirmen ähnlich einer Gewerbeschau präsentieren. Damit sehen Bürgerinnen und Bürger, was alles möglich ist, um den eigenen Energieverbrauch zu reduzieren.
Was haben Sie sich für das Jahr 2023 und darüber hinaus vorgenommen?
Ich habe mir vorgenommen, die Stadt Kelsterbach und ihren Status Quo kennenzulernen und Möglichkeiten für Energieeinsparungen und eine zunehmend klimafreundliche Lebensweise zu finden. Eine Strategie und zukünftige Maßnahmen für die kommenden Jahre leiten sich daraus ab. Zum Beispiel soll innerhalb der kommenden Jahre eine Wärmenetzplanung erarbeitet werden, damit wir im Gebäudebereich festlegen, wie wir die fossilen Energien stückweise reduzieren können. Auch Bürger sollen mit integriert werden durch Bürgerkampagnen und die kommende Klimataler-App, um das Bewusstsein für Klimaschutz zu steigern. Die Photovoltaik soll ebenso weiter ausgebaut werden. Da die Stadtverwaltung als Vorbild vorangehen will, sollen auch die städtischen Liegenschaften damit ausgestattet werden. Eine Bildungskampagne innerhalb der Schulen für den Umwelt- und Klimaschutz soll weiter vorangebracht werden und schließlich soll der Aufbau eines Energiemanagements realisiert werden. Dessen Ergebnisse werden in der Folge an die Bürger weitergegeben, um zu zeigen, was wir damit einsparen können.