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„Es ist ein menschengemachtes Problem“, sagt Judith Wagner, Vorsitzende des Tierschutzvereins Kelsterbach, wenn sie über Stadttauben spricht.
Es ist ein Elend, wenn man die zerrupften, aufgeplusterten Vögel sieht, oft in einer Ecke auf einem Bein sitzend, humpelnd, wenn sie mal wieder weggescheucht werden. Für die meisten sind Tauben, ganz verallgemeinernd, nichts als Ungeziefer. Dass nur der Mensch dazu in der Lage ist, über andere Spezies als artig und unartig zu urteilen, ist schon so eine Sache. Aber des Menschen liebstes Hobby, neben Auto waschen und Briefmarken sammeln, aus einer plötzlichen Unbequemlichkeit in die Verwahrlosung und das Verhungern zu schicken, ist eine, pardon, Sauerei. Doch kommen wir zum Beginn der Tragödie:
„Was wir unter Stadttauben kennen, sind Tauben, die aus wilden Tauben gezüchtet wurden und die früher eine Bedeutung hatten“, so Wagner. „Sie wurden zum Essen oder für den Briefkontakt gehalten. Dafür wurden sie auf hohe Fruchtbarkeit gezüchtet. Tauben wurden schon im Mittelalter eingesetzt, weil sie schneller als jeder Reiter waren. Im Krieg lieferten sie oft das einzige verfügbare Fleisch. Dann wurde das Taubenhalten irgendwann nur noch zum Hobby. Ich habe es schon oft miterlebt, wenn ein Züchter gestorben ist und es keinen gab, der den Schlag übernehmen wollte. Dann wurde dieser geöffnet und die Tiere ihrem Schicksal überlassen.“
Doch die meisten Zuchttauben können draußen kein Futter finden. „Das sind keine wilden Tauben mehr, das sind Haustiere“, erklärt Wagner. „Durch Züchtung wurden verschiedene Rassen gekreuzt und dadurch sind oft natürliche Eigenschaften verwässert oder verloren gegangen“, erklärt sie weiter. Hinzu kommt: „Tauben sind absolute Gewohnheitstiere. Die Zuchttauben sind auf Schüsseln mit Futter geeicht. Wenn eine Taube tagelang nichts gefressen hat, frisst sie auch von allein nicht mehr und muss erst wieder angefüttert werden. In Innenstädten wie in Frankfurt, sieht man Tauben, die gewohnheitsmäßig den Menschen folgen und dann Essensreste wie Pommes fressen. Das, was wir Menschen wegwerfen. Doch das ist nicht artgerecht.“
„Wenn Sie immer Essen zu sich nehmen würden, das Ihnen nicht guttut, dann würden Sie auch Magenprobleme und Verdauungsprobleme bekommen“, merkt die Tierschützerin an. Bei falschem Futter wird der Kot dünn und ätzend. Bei einer artgerechten Nahrung, die aus Körnern und Kräutern besteht, ist das Gefieder glatt und der Kot fest. Übrigens, wenn Tauben falsches Futter bekommen, werden sie schwach und anfälliger für Krankheiten und Parasiten. Brot hat beispielsweise einen hohen Säuregehalt. Der ist nicht nur für Tauben, sondern für alle Vögel schädlich. Er verursacht Arthritis, so dass man oft Tauben mit dicken Gelenken und knotigen Füßen sieht.“
Aber woran liegt es, dass Tauben so ungeliebt sind und es schwer ist, Ihnen einen Platz in der Gesellschaft einzuräumen? „Aus dem Mittelalter resultiert die Angst der Menschen, dass Tauben und Ratten Krankheitsüberträger sind. Sie wandern von Ort zu Ort und geben dadurch Erreger weiter, an denen sie selbst nicht erkranken, wie die Pest oder auch schwarzer Tod genannt. Damals hatten die Menschen zurecht Angst. Doch welche Krankheiten können Tauben heutzutage noch übertragen? Heute schaffen die Menschen das ganz allein, indem sie global und in kürzester Zeit von einem Ort zum anderen reisen und fremde Krankheiten und Keime untereinander weitergeben.“
Natürlich müsse etwas gegen die anwachsende Taubenpopulation getan werden, versichert Wagner. Hier kommt der Taubenschlag ins Spiel, den der Tierschutzverein seit Ende 2021 sein Eigen nennt. Der Taubenschlag ist im Grunde ein Taubenhaus, in dem die Gefiederten Ruheplätze haben, Futter und Wasser bekommen und auch nisten können. Und hier setzt der Tierschutz an, denn die Eier werden durch Gipseier getauscht und so ein Anwachsen der Taubenpopulation gemindert. Tierschutz durch Geburtenkontrolle und um damit zu verhindern, dass immer mehr Tiere halb verhungert in den Straßen umherirren. Es ist das gleiche Prinzip, wie der Appell, seine Katzen kastrieren beziehungsweise sterilisieren zu lassen. Doch reicht das aus?
„Ich denke schon, dass man die Population langfristig dezimieren kann. Wir haben aktuell 250 bis 300 Tauben, die regelmäßig kommen. Da sind auch viele dabei, die während der Corona-Lockdowns aus der Frankfurter Innenstadt in das Umland abgewandert sind, weil sie kein Fressen mehr gefunden haben“, ist sich Wagner sicher. „Wir wollen keine 500 Tauben hier haben, deshalb haben wir im Taubenschlag allein im letzten Jahr 600 Eier getauscht. Hinzu kommen natürliche Umstände, wie der Schlag durch Greifvögel, die sich immer mal eine Taube holen, oder das Wegsterben aufgrund von Alter oder Unfällen.“
Kontraproduktiv sei es, wenn jemand Stadttauben brüten lasse, weil sie seit Jahren auf den Balkon oder in den Garten kämen, ermahnt die Tierschützerin jedoch. Auch Solaranlagen seien ein Problem. Darunter sei es warm und trocken. Durch diesen Premiumbrutplatz schlüpfen jedoch nicht nur weitere Jungtiere, sondern es stürzen auch immer wieder Eier oder Jungtiere ab, die dann halb tot auf dem Boden liegen. Hier könne man sich sehr einfach behelfen, indem man Gitter oder Netze um die Solarpanels auf den Dächern spanne und die Tauben damit daran hindere, darunter Nester zu bauen, erklärt Wagner. „Und auch die Tauben, die man nicht vom Balkon verscheuchen will, kann man dennoch am erfolgreichen Brüten hindern. Jeder kann sich bei uns melden und um Gipseier bitten. Die Eier im Nest werden getauscht (möglichst frühzeitig) und durch die Attrappen ausgewechselt. Die Tauben bebrüten diese noch eine Weile und geben irgendwann auf.“
Ein sehr erfolgreiches Beispiel für einen Taubenschlag hat Wagner auch. Im Main-Taunus-Zentrum sei sie irgendwann völlig perplex gewesen, weil die bekannten Taubenschwärme gefehlt hätten. Diese hatten sich zwischen den Einkaufenden aufgehalten und hungrig jedes heruntergefallene Brötchen und ähnliches gierig gefressen. „Als Tierschützer wird man da ja misstrauisch. Haben die etwa Gift eingesetzt, habe ich mich sofort gefragt.“ Doch es stellte sich heraus, dass auf dem Dach der Thalia-Buchhandlung ein Taubenschlag eröffnet wurde, in dem die Tiere mit Futter versorgt und so von den Passanten ferngehalten werden. Auch die Eier würden im Schlag sowie in den Parkhäusern getauscht, wann immer man sie sehe. In drei Jahren seien 2000 Eier getauscht worden, erzählt Wagner und ergänzt: „Auch in Frankfurt sollen wieder zwei Taubenschläge eröffnet werden. Ich hoffe, man plant sie da, wo sie Sinn machen, in der Nähe des Bahnhofs und der Innenstadt“.
Wofür Wagner gar kein Verständnis hat, ist die Taubenzucht. Dieses Hobby produziere immer weiteres Leid und sei als Sport, zum Beispiel für Wettfliegen, nicht mehr haltbar. „Man muss sich fragen, ob das alles noch Sinn macht? Ich meine, nein.“ Besonders schlimm sind für sie die sogenannten Hochzeitstauben. Diese weißen Tauben haben jegliche Orientierung durch die Zucht verloren. „Wer sich für seine Hochzeit weiße Tauben wünscht, die in den Himmel aufsteigen, der beginnt seine Ehe mit Leid und Tod.“ Die Tauben schrecken auf und finden nicht mehr zu ihrem Heimatschlag zurück. „Wer nach einer Hochzeit mal genau hinschaut, sieht die Tauben noch tagelang umherirren und nach Futter suchen. Viele fliegen gegen Fensterscheiben und sind leichte Opfer für Greifvögel, weil sie durch ihre weiße Farbe herausstechen“, erklärt Wagner weiter.
Im Taubenschlag geht derweil die Arbeit für die Tiere und deren Dezimierung weiter. Dazu gehört auch, den Schlag durch Gespräche mit anderen Tierschutzvereinen und Ausprobieren zu verbessern. Aktuell wurde der frühere Bodenbelag beispielsweise durch Schlagweiß ersetzt. Dies ist ein Desinfektionsmittel speziell für Taubenschläge, das den Geruch bindet und den Boden trocken hält. Täglich werden Futter- und Wassernäpfe gefüllt und bei Bedarf durch saubere ersetzt sowie der Boden gereinigt. Einmal in der Woche wird dann die Grundreinigung durchgeführt und alles gründlich gesäubert und desinfiziert. Eine Menge Arbeit. „Daher suchen wir auch noch immer weitere Helfer“, so Wagner. „Selbst wenn jemand nur morgens eine halbe Stunde Zeit hat, um den Schlag beispielsweise zu öffnen (der in der Nacht geschlossen bleibt), oder beim Füttern helfen möchte, dann ist das für uns schon eine Arbeitserleichterung.“ Und auch Futterpatenschaften wären für Wagner eine großartige Sache. „Wir verfüttern pro Tag 25 Kilogramm Taubenfutter.“ Das ist viel und da ein Sack aktuell 18 Euro kostet, geht das schnell ins Geld. Wer sich als Helfer oder Pate beim Tierschutzverein engagieren möchte, kann sich auf der Website http://www.tierschutz-kelsterbach.de informieren und per E-Mail an info@tierschutz-kelsterbach.de melden. (ana)