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„Wie‘s allzeit war, – hier vorgebracht –, so wird‘s auch heute noch gemacht.“ Gemäß dieses Zitats aus der Vorrede zum Kelsterbacher Andreasspruch wird seit 1966 in der Stadt das Brauchtum des Andreasgelages gepflegt. Dies hat seine Wurzeln im Mittelalter, als Kelsterbach und Frankfurt die Vereinbarung getroffen hatten, dass die Bauern aus der kleinen Gemeinde bis zum Andreastag ihr Vieh in den Wald des großen Nachbarn treiben durften. Im Gegenzug dafür musste ein Weidezins entrichtet werden, der bei einem opulenten Gelage übergeben wurde. Auch wenn bei der modernen Variante das gemeinsame Speisen nicht mehr wie einst in eine große Schlemmerei ausufert, steht die Pflege der Beziehungen und des Brauchtums zwischen den Städten bis heute im Mittelpunkt der Veranstaltung, die seit der der Wiederbelebung vor 57 Jahren vom Kelsterbacher Volksbildungswerk (VBW) ausgerichtet wird.
Hartmut Blaum, Vorsitzender des VBW, zeigte sich erfreut darüber, dass die schöne Tradition nach drei langen Jahren Pause am vergangenen Freitag wieder gepflegt werden konnte. Zu der 54. Auflage des Andreasgelages der Moderne kam auch Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef standesgemäß in einer Kutsche vorgefahren. Diesen besonderen Fahrdienst hatten in diesem Jahr erstmals Claudia und Bernd Christoph aus Eschborn übernommen, nachdem der bisherige Kutscher, Alfred Rosskothen aus Raunheim, aus Altersgründen nicht mehr zur Verfügung stand. Die Premiere der Familie Christoph war in jeder Hinsicht gelungen und Josef zeigte sich sehr angetan von dem besonderen Transportmittel: „Als Oberbürgermeister erlebt man so einiges. Zu Beginn meiner Amtszeit durfte ich auf einem rollenden Boot durch Königstein fahren und heute nun die schöne Kutschfahrt durch Kelsterbach.“
In seinen Grußworten musste der Oberbürgermeister erst einmal ein Geständnis ablegen: „Nach dem Eingang der offiziellen Einladung gab es bei unserer wöchentlichen Bürorunde zunächst ein wenig Unruhe – weniger wegen des Andreas, sondern vielmehr wegen des Gelages.“ Nachdem ihn Bürgermeister Manfred Ockel diesbezüglich beruhigen konnte, habe er sehr gerne zugesagt und freue sich, an diesem Abend nun die gute Nachbarschaft zwischen Frankfurt und Kelsterbach feiern zu dürfen. In einer Zeit, in der es überall Veränderungen und auch einen gewissen Veränderungsdruck gebe, täten Kontinuität und Traditionen wie das Andreasgelage den Menschen einfach gut, so Josef weiter.
Frankfurt und Kelsterbach verbinde aber mehr, als nur Tradition und Nachbarschaft. Beiden Städten liege die Entwicklung der Region am Herzen und gerade eine positive wirtschaftliche Entwicklung könne nur gemeinsam erreicht werden. Dafür sei auch ein permanenter Austausch wichtig: „Heute will ich dafür meinen Anfang gemacht haben, und das zu einem wunderschönen Anlass“, sagte der Oberbürgermeister abschließend.
Ockel äußerte sich in seinen Begrüßungsworten ebenfalls sehr positiv über das Miteinander, das weit über die gemeinsame Tradition des Andreasgelages hinausgehe. „Wir haben viele Projekte, die wir zusammen mit tollen Kooperationspartnern aus Frankfurt umsetzen“, so der Bürgermeister. Die großen Herausforderungen, die in der näheren Zukunft gemeistert werden müssten, könnten nur gemeinsam geschultert werden. Ockel dankte nicht nur den Frankfurter Gästen, zu denen neben dem Oberbürgermeister auch Gerhard Nöll gehörte, dessen Kelterei aus dem Frankfurter Stadtteil Griesheim seit vielen Jahren den Apfelwein zum Andreasgelage beisteuert. Den Gästen aus Lokal- und Kreispolitik sprach er für ihr Kommen ein Dankeschön aus, das gleichermaßen dem Vorstand des Volksbildungswerks für die Organisation galt: „Es ist wunderbar, dass wir die schöne Tradition nach der Pause heute wiederbeleben können.“
Tradition war auch der Auftritt der Lämmerspieler Jagdhornbläser, die den Austausch der Andreassprüche musikalisch umrahmten. Für Kelsterbach verlas Christian Schönstein, stellvertretender Vorsitzender des VBW und Stadtarchivar, den Andreasspruch, während Tina Baumann, Leiterin des Stadtforsts, die Frankfurter Seite übernahm. Mit dabei war auch Holger Scheel, Revierförster aus Schwanheim, der seit vielen Jahren ein treuer Mitstreiter des Andreasgelages ist. Blaum dankte Scheel ganz besonders, denn sein Mitwirken sei in diesem Jahr in zweierlei Hinsicht besonders: Zum einen hatte er an diesem Abend Geburtstag, zum anderen war er das letzte Mal in seiner offiziellen Funktion als Revierförster mit dabei.
Vor dem Festvortrag sorgte der Volkschor Kelsterbach noch für die musikalische Unterhaltung der rund 200 Gäste, die anschließend den Ausführungen des Gastredners Björn Wissenbach lauschten. In seinem rund 50-minütigen Vortrag nahm der Frankfurter Historiker und Stadtführer sein Publikum mit auf eine kurzweilige Zeitreise durch 80 Jahre Frankfurter Stadtgeschichte. Mit einer Mischung aus enormen Fachwissen und augenzwinkerndem Humor, eingefärbt in Frankfurter Mundart, zeigte Wissenbach, wie Frankfurt aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs wieder aufgebaut wurde und sich die Stadt in den folgenden Jahrzehnten in die Metropole verwandelt hat, die sie heute ist. Frankfurt-Kenner bekamen einige faszinierende Bilder zu sehen, vom Bau der U-Bahn, von einer Zeit, als der Römerberg noch als Parkplatz genutzt wurde, vom Besuch John F. Kennedys oder von der Hauptwache in den 1950ern, als der Platz noch einer der größten Verkehrsknotenpunkte der Stadt für Autos und Straßenbahnen war.
Nachdem das Publikum mit Informationen und Anekdoten gefüttert worden war, kümmerte sich der Tierschutzverein um das leibliche Wohl der Gäste, die bei deftigen Rindswürsten in Erinnerungen an Besuche in Frankfurt und an vergangene Andreasgelage schwelgten. Stadtverordnetenvorsteher Frank Wiegand brachte es dann in seinen Abschlussworten auf den Punkt: „Wir haben einen wunderschönen Abend erlebt, der uns zeigt, wie wichtig es gerade in einer immer schneller werdenden Welt ist, Traditionen zu pflegen und sich immer wieder der schönen Dinge zu vergewissern.“ (sb)