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Zum Tag der Apotheke und aufgrund des massiven Verschwindens von immer mehr Apotheken vor Ort haben wir mit Gerhard Zibulak, dem Inhaber der Kronen-Apotheke in Kelsterbach über die schwierigen Bedingungen, wirtschaftlich zu arbeiten, gesprochen. Das Gespräch führte Anika Fabijanic.
Onlineapotheken dürfte es seit 20 Jahren geben. Ein Großteil der Onlineapotheken (DocMorris, Shopapotheke) liegt hinter der deutschen Grenze in Holland. Auch wenn oft irreführend von „Ihrer Versandapotheke für Deutschland“ gesprochen wird.
In Holland gelten für Arzneimittel 7 Prozent Mehrwertsteuer. Ein Preisvorteil von etwa 10 Prozent gegenüber deutschen Apotheken. In Europa wird also mit ungleichen Voraussetzungen gegeneinander gearbeitet.
Werbung mit Rabatten auf verschreibungspflichtige Arzneimittel ist illegal, Onlineapotheken ignorieren das. Das können sie auch, weil sie keinerlei Überwachung durch deutsche Amtsapotheker fürchten müssen. Die gesetzlichen Anforderungen in Holland sind auch wesentlich schwächer als in Deutschland. Das sind alles Kostenvorteile.
Onlineapotheken haben keine Verpflichtung zu Gemeinwohltätigkeiten wie Notdienst oder Rezepturherstellung. Das sind beides für Standortapotheken Zuschussgeschäfte.
Für 24 Stunden Notdienst erhalten Apotheken etwa 400 Euro. Dazu kommen für eine Apotheke wie die Kronen an einem Sonntag vielleicht 50 Euro Einnahmen unterm Strich. Geleistet werden muss das von einem Apotheker mit Hochschulabschluss!
Das ist etwas mehr als der Mindestlohn und für die Qualifikation ein Witz. Die Notdienstpauschale gibt es erst seit ein paar Jahren. Vorher waren es etwa 2 Euro pro Stunde.
Ich komme in meinem Berufsleben als Apotheker auf rund 1700 Notdienste, das macht fast fünf Jahre, die zusätzlich zur täglichen Arbeit geleistet wurden. Mein Vater hat in seinen 25 Jahren in der Kronen-Apotheke zwölf Jahre Notdienst geleistet.
Onlineapotheken zahlen keine Steuern vor Ort und kommen mit vielen Hilfskräften aus.
Hinter Onlineapotheken stehen Großinvestoren wie unter anderem das Emirat Saudi-Arabien oder Hedgefonds. Onlineapotheken arbeiten für die Gewinne der Investoren.
2004 hat die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt die Apothekenvergütung von einem degressivem Aufschlagsystem – je nach Arzneimittelpreis waren das Aufschläge zwischen 60 und 15 Prozent – in eine Packungsvergütung von 8,10 Euro plus 3 Prozent (gedeckelt für Hochpreiser und ab 2004 8,35 Euro) pro verschreibungspflichtiger Packung umgewandelt. Davon ist an die gesetzliche Krankenkasse ein Rabatt von 2 Euro zu zahlen. Wofür erschließt sich mir nicht.
Diese 6,35 Euro erhalten wir zum Beispiel auch für eine Packung die 20.000 Euro kostet. Dafür müssen wir finanziell in Vorleistung treten und höllisch aufpassen, dass die Krankenkasse nicht die Bezahlung wegen eines kleinen Formfehlers auf dem Rezept verweigert. Das ist schon oft vorgekommen. Wir tragen also die wirtschaftliche Verantwortung für 80 Prozent eines Umsatzes, den wir kalkulatorisch nicht beeinflussen können. Bei der Abgabe besteht Kontrahierungszwang, das heißt wir können Belieferungen nicht ablehnen, auch wenn wir offensichtlich mittlerweile zuzahlen!
Das bedeutet, der Apotheker hat die alleinige wirtschaftliche Verantwortung für die vom Staat gesetzlich geregelte Sicherstellung der Arzneiversorgung. Im Umkehrschluss hat der Staat seine Fürsorgepflicht gegenüber den Apotheken seit 20 Jahren ignoriert.
In der Arzneimittelpreisverordung von 2004 steht ganz klar, dass die Beteiligten sich über Preisanpassungen in festgelegten Zeiträumen zusammenfinden müssen, um beispielsweise Inflationsraten auszugleichen. Das ist seit 2004 nur einmal passiert. Da wurde von 6,10 Euro (nach Rabatt) auf 6,35 Euro erhöht. Zuletzt hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das wieder auf 6 Euro gesenkt. Praktisch keine Erhöhung in 20 Jahren. Das überlebt keine Branche. Nach 20 Jahren sind mindestens 50 Prozent der Apotheken am Ende ihrer Einsparpotentiale angelangt.
Gesetzliche Krankenkassen geben 4 Prozent der Versichertenbeiträge für Werbung aus. Das „System Apotheke“ kostet lediglich 2 Prozent. Damit sind nur die Distribution und andere Apothekenleistungen gemeint. 2004 waren das noch 3 Prozent. Dieses 1 Prozent fehlt den Apotheken zusätzlich.
Gegen Onlinedienste kann nur die Politik etwas unternehmen. Großkonzerne ohne Steuerleistung in Deutschland kann ich nur mit Gesetzen, die eine Steuerflucht verhindern, beeinflussen. Onlinelieferungen müssen teurer werden. Eine PKW-Maut würde da schon helfen. Der vom Steuerzahler subventionierte Preisvorteil gegenüber dem stationären Handel muss ausgeglichen werden.
Die sprichwörtlichen Apothekenpreise sind für Politiker heiße Eisen. Da will keiner Kritik für bessere Bezahlung ernten. Bei allen weiteren Leistungserbringern im Gesundheitswesen ist das kein Problem. Wenn sich die gesetzlichen Krankenkassen mal 10 Prozent Gehaltserhöhung gönnen plus Inflationszuschlag. Pflegekräfte haben eine besser Bezahlung sicherlich verdient. Kein Problem. Hätte man dagegen der Ärzteschaft 20 Jahre lang keine Erhöhungen gegeben, wäre davon niemand mehr im Land.
Die „finanzierbaren“ Gehälter in den Apotheken hinken weit hinter denen anderer Gesundheitsdienstleister her.
Wir alle müssen uns fragen, ob wir die Geschäftsinfrastruktur vor Ort unterstützen wollen. Nur die schafft Arbeitsplätze vor Ort, zahlt Gewerbesteuer und fördert Vereine. Oder ob wir das Geld wirklich einigen Milliardären für ihre nächste 150 Meter Jacht überlassen.